Natascha Borowskys Fotos bewegen sich in einem Grenzbereich zwischen lyrischer Beschreibung und Dokumentation. Bevor die Künstlerin eine Aufnahme macht, sammelt sie zunächst Gegenstände, wobei ihr Repertoire aus den unterschiedlichsten Bereichen stammt. Dinge aus der Natur wie kleine Kugeln aus getrocknetem Gras, kanadische Schachtelhalme oder chinesische Pflaumen trägt sie ebenso zusammen wie Styroporteile oder Seifenstücke. Ihre Fundstücke nimmt sie dann vor Hintergründen auf, die sie zum großen Teil nach selbst entwickelten Rezepturen auf die Objekte abstimmt und die überwiegend eine sanfte, äußerst zurückgenommene Farbigkeit zeigen. Andere Bildgründe entstammen ihrem umfangreichen Fundus aus Brokat, Fellen, Plastikfolien oder Stoffen. Natascha Borowskys Bildsprache ist reduziert, der Blick auf das gewählte Objekt konzentriert.
Sie fotografiert in einer Weise, in der das gezeigte Objekt Fragen nach der Zuordnung aufwirft. Immer entstehen Irritationen, da die Grenze von Erkennbarkeit des Objektes hin zur Reduktion auf die reine Form nahezu fließend ist. Man spürt in den Bildern die Faszination, die Gegenstände auf die Künstlerin ausüben, denn sie sind stets sorgsam gewählt und nach langen Vorstudien vor den Hintergründen arrangiert.
Das Interesse an achtlos weggeworfenen Alltagsobjekten zeigt auch Jeff Wall in neuen Arbeiten. Er lässt jedoch die kleine Aluminiumschale, aus der gegessen wurde, oder den auf der Straße liegenden Ast an seinem Fundort liegen, während Natascha Borowsky ihre Dinge in einen neuen ort- und zeitlosen Kontext einfügt. Eine größere Nähe ist deshalb zu einem anderen Fotografen zu sehen. Die Photographische Sammlung/SK-Stiftung Kultur in Köln hatte im Januar 2001 den bemerkenswerten Versuch unternommen, Natascha Borowskys Fotos mit den naturwissenschaftlichen Aufnahmen von Karl Blossfeldt (1865-1932) zu konfrontieren. Dabei wurde deutlich, mit welcher Akribie und exakter Beobachtung beide Künstler vorgehen. Während Blossfeldt jedoch den zeichnerischen und graphischen Charakter seiner schwarz-weiß aufgenommenen Pflanzen betont, geht es Natascha Borowsky auch um einen farblichen Klang der Hintergründe und der Objekte. Die radikale Dekontextualisierung ihrer Gegenstände und die Eingliederung in neue Zusammenhänge schaffen einen Assoziationsraum, der belegt, dass es der Künstlerin nicht um dokumentarische Wiedergabe, sondern um bildimmanente Wirklichkeit geht.
Dr. Rupert Pfab, Kunsthistoriker
Aus: ‚Transistor Magazine # 1, Ein Deutsch/Niederländischer Dialog’,
Magazin zur Dokumentation des Programms und der Veranstaltungen des deutsch-niederländischen Projekts ‚Transistor’ vom 1.7.2001 – 1.7.2002, herausgegeben von der Derik-Baegert-Gesellschaft e.V., Schloss Ringenberg, Hamminkeln